Dienstag, 24. April 2007

Rundbrief

Liebe Unterstuetzer,

Der Fruehling ist auch bei uns angekommen. Seit einiger Zeit ist es in der Schneller Schule tatsaechlich gruen und ueberall wachsen Blumen und Gras. Vor 2 Monaten hat es langsam angefangen und vor einem Monat etwa trat die volle Bluetezeit ein. Eine Augenweide, wenn man sich an die sonstige Wueste hier erinnert! Die kleinen Jungs hatten einen Heidenspass am Blumenpfluecken und waren manchmal kaum zu bremsen. Jetzt merkt man aber, dass langsam wieder alles verdoerrt und auch der Boden merklich austrocknet. Es regnet im Allgemeinen bis auf einige seltene Tropfen nicht mehr und wird merklich heisser.

Meine Eltern waren im Maerz fuer 2 Wochen hier. Ihr Erstaunen ueber bestimmte Dinge hat mir wieder einmal vor Augen gefuehrt wie vieles Normalitaet geworden ist und mir gar nicht mehr als ungewoehnlich auffaellt. Doch auch fuer mich gab es etwas Neues: zum ersten Mal hab ich mich als Fahrerin im Auto in den Verkehr gestuerzt, was wider Erwarten die meiste Zeit ganz gut geklappt hat. Es war toll, dass ich die ganze Zeit ueber frei hatte und wir viel herumfahren konnten. Wieder einmal fiel die Gastfreundlichkeit der Jordanier auf, fast ueberall wurden wir freundlich empfangen und jeder half uns bei Problemen oder Fragen gerne aus. Wenn wir fahrend in Ammans Strassen die Orientierung verloren hatten und uns nach dem Weg erkundigten, wurden wir ein paar Mal von Einheimischen kurzerhand zum Zielort gelotst, indem sie vor uns her fuhren. Hat man so was in Deutschland schon erlebt??

Umweltwoche, die zweite
Sie war angefuellt mit verschiedenen Aktivitaeten wie Gartenarbeit, Baeumepflanzen, Vortraegen, Spielen zum Thema Umwelt. Ausserdem ein Ausflug mit dem gesamten Internat in ein Naturreservat, der Hoehepunkt der Woche.
Ich habe mit einigen 7.-und 8.-Klaesslern eine Vogelhuette aus Stoecken gebaut – eine echte Geduldsprobe fuer sie und fuer mich. Denn kaum einer hatte das noetige Durchhaltevermoegen, alles musste immer schnell gehen, sodass schludrig gearbeitet wurde. Deshalb fiel das Haeuschen zunaechst einmal zusammen. Da war die Haelfte der Jungs schon lange weg und einige neue waren dazugestossen. Die verbliebenen wurden nun ploetzlich aktiv und kreativ und es wurde eine neue Technik versucht, die sich dann auch einigermassen bewaehrte. Wirklich stabil ist die Vogelhuette auch in fertigem Zustand nicht, aber es haben sich einige Jungs gefunden, die wirklich Spass dabei hatten. Fuer mich war es auch schoen wenn auch sehr stressig. Die ganze Zeit ueber musste ich wie ein Luchs aufpassen, dass Saegen oder andere Utensilien nicht missbraeuchlich verwendet wurden oder dass Konflikte zwischen den Jungs nicht eskalierten. Manche von ihnen waren nach fuenf Minuten schon muede und lagen ermattet da, wollten neu motiviert werden. Andere waren nicht faehig, sich 5 Minuten auf eine Sache zu konzentrieren, sondern stoerten permanent, sodass ich sie nur noch wegschicken konnte.

Im folgenden Abschnitt geht es um das Verhaeltnis zwischen mir und meiner Erzieherin. Vielleicht ist er ein bisschen zu lange geraten und liest sich eher langweilig. Wer will, kann ihn ueberspringen. Ich hatte aber diesmal das Beduerfnis, etwas mehr ins Detail zu gehen. Alles ist meine persoenliche Ansicht und diese ist vielleicht mittlerweile voreingenommen und alles andere als objektiv.
Unsere Zusammenarbeit hat sich seit dem letzten Rundbrief wieder verschlechtert. Die Kommunikation klappt nicht, manchmal findet sie gar nicht statt und ich erfahre wichtige Dinge von den Jungs. Zudem bringt mich ihr Erziehungsstil voller Geschrei und beinah diktatorischem Verhalten gefuehlsmaessig automatisch auf die Seite der Jungs. Ich kann dieser Art mit Kindern umzugehen nach wie vor wenig abgewinnen. Allerdings sehe ich auch, dass ich hier in Jordanien nicht mit deutschen Massstaeben messen kann und die Jungs sie ganz anders wahrnehmen als ich. Sie akzeptieren dieses teilweise fuer mich „furienartige“ Verhalten sowie komisch anmutende Regeln bedingungslos und als Normalitaet und ordnen sich ohne Widerworte oder Fragen unter. Sie muss Anweisungen nicht wiederholen oder diskutieren, damit sie gemacht werden. Als das Familienoberhaupt ist sie die oberste Instanz und wird als solche verehrt.
Kinderstimmen und Lachen allerdings hoert man in ihrer Gegenwart kaum, wobei sie das nicht zu stoeren scheint, da die vorrangigen Erziehungsziele in unserer Familie Ruhe und Ordnung sind. Was ich zu bestimmten Zeiten nicht falsch finde, aber nicht die ganze Zeit. Auch wenden sich die Jungs mit kleineren Problemen nur an mich, weil sie von ihr haeufig als unwichtig oder laecherlich abgetan werden. Geht es allerdings darum, etwas zu petzen und jedes falsche Verhalten von anderen detailgetreu wiederzugeben, dann kommen sie zu ihr. Besonders wenn sie eine harte Reaktion von ihr gegenueber dem Uebeltaeter erwarten, um sich „gerecht“ behandelt zu fuehlen.
Ihre generell sehr herrische Art setzt natuerlich die Massstaebe in unserer Familie. Jeder scheint sich vor ihr zu fuerchten und deswegen klappt das Tagesmanagement bei ihr relativ reibungslos.
Bin ich alleine, laeuft alles schnell aus dem Ruder. Ich verbiete den Kindern nicht, zu lachen oder sich zu unterhalten, das koennte ich sowieso gar nicht durchsetzen. So ist der Geraeuschpegel generell lauter und nicht alles laeuft so reibungslos. Ich muss haeufig Dinge dreimal wiederholen oder erst herumdiskutieren, bis sie gemacht werden.
Es ist unglaublich schwierig, die Kinder liebevoll zu baendigen und oft erwische ich mich doch auch dabei, wie ich anfange herumzuschreien. Auch wenn ich dann immer noch als „harmlos“ angesehen werde. Manche Jungs begreifen ueberhaupt erst, wenn ich schreiend vor ihnen stehe, dass es mir wirklich ernst ist.
Das gefaellt mir nicht und schlaucht mich auch ziemlich. Ein staendiges Hin- und Hergerissensein zwischen dem, was ich fuer richtig halte und der Realitaet, in der ich diese Prinzipien manchmal einfach nicht leben kann.
Von Anfang an war ich fuer Spiele, Basteln und alles Angenehme zustaendig. Natuerlich gibt es da auch Regeln und wer diese kontinuierlich nicht einhaelt, fliegt raus. Doch mittlerweile bin ich so haeufig alleine in der Familie und muss dann doch irgendwie die „normale“ Erzieherrolle uebernehmen. Ich wurde und werde aber nicht in Entscheidungen mit einbezogen, kann froh sein, wenn ich fuer den Alltag wichtige Dinge ueberhaupt mitgeteilt kriege. Besonders die grossen Jungs wissen oft mehr als ich und hoeren manchmal gar nicht auf mich. Bei ihnen merke ich, dass sie Freundlichkeit ausnutzen, haeufig immer nur mehr wollen und mir auf der Nase herumtanzen. Ganz im Gegensatz zu ihrem Verhalten gegenueber meiner Erzieherin, fuer die sie alles machen. Wenn sie hart und streng zu ihnen ist, wird das bedingungslos akzeptiert, bei mir dagegen machen sie ein riesiges Theater, wenn sie z.B. den Ball einmal nicht haben duerfen und sich ungerecht behandelt fuehlen.
Die grossen Jungs bekommen tagtaeglich mit, wie ich von meiner Erzieherin von oben herab behandelt werde und was fuer einen Status ich in der Familie habe. Wie sollen sie mich da ernstnehmen?
Verschiedene Versuche nach dem Motto „wenn ihr mir helft, dann mache ich zur Belohnung was mit euch“ scheitern immer an der Zeit oder sie haben dann keine Lust mehr. Das Konzept „Belohnung fuer gutes Verhalten“ scheint hier kaum bekannt. Es laeuft andersherum: wer sich nicht benimmt, wird bestraft.
Aehnlich ist das mit den Kleinen, hier sind es ausserdem rein zahlenmaessig viel mehr und es ist nur schwer bis gar nicht moeglich, so differenziert zu arbeiten. Ausserdem kann ich nicht mit einigen zu Belohnenden abgesondert etwas machen, wenn ich alleine in der Familie bin und nebenan der Rest tobt.
Meine Erzieherin gibt mir oft das Gefuehl, unfaehig zu sein. Meine Meinung zaehlt fuer sie nicht, weil ich hier ja ohnehin in der Kultur fremd und ausserdem keine Erzieherin bin, das hat sie mir einmal gesagt. Ab und zu frage ich mich, ob es nicht fuer alle Beteiligten eher kontraproduktiv ist, wenn ich in ihrer Familie arbeite. Die Kinder werden durch 2 verschiedene Linien verwirrt und sie scheint sich manches Mal auch gestoert von mir zu fuehlen, genauso wie ich von ihrem Geschrei. Vor allem auch ist sie gar nicht bereit, zu ueberlegen, ob manche Dinge, die von mir kommen, vielleicht doch nicht ganz so unpassend hier sind. Mir ist klar, dass vieles nicht passt und „zu deutsch“ gedacht ist und von vielen Ideen musste ich mich schon verabschieden. Aber deswegen bin ich ja auch hier. Nur wenn ich das Gefuehl habe, dass beinah alles, was ich mache, missbilligend beaeugt und zudem nicht unterstuetzt wird, geht mir allmaehlich der Spass verloren.
Zum Glueck ist das nicht bei allen anderen auch so und es gibt auch Faelle, in denen Volontaer und Erzieher gut zusammenarbeiten. Und um nicht alles schlecht zu machen, muss ich sagen, dass es immer mal Lichtblicke bei uns gibt. Doch der ueberwiegende Eindruck ist der oben geschilderte, mal mehr oder weniger intensiv.

Neues von Nayef
Nayef macht sich. Seitdem er bei seiner Mutter wohnt, geht es ihm spuerbar besser. Sie hat nun das alleinige Sorgerecht und scheint sich gut um ihn zu kuemmern. Besuche in der Schule finden haeufig statt und Nayef freut sich immer sehr.
Er geht im Allgemeinen mehr auf Menschen zu und kann sich besser konzentrieren.
Besonders eine der vielen Katze hat es ihm angetan, die allerdings nicht halb so begeistert von ihm ist wie er von ihr. Er rennt stuermisch und nicht leise auf sie zu und sie, die den SchnellerJungs ohnehin schon aus Erfahrung kritisch gegenueber steht, sucht ihr Heil in der Flucht.
Wir schreiben viel zusammen englische Buchstaben, womit wir gut vorankommen. Er ist sehr motiviert und scheint die Aufmerksamkeit, die waehrenddessen nur ihm gehoert, auch zu geniessen.
Natuerlich ist nicht alles ploetzlich einfach und es gibt genug Dinge, die nicht gut klappen und die ich immer noch fuenfmal sagen muss, bevor sie gemacht werden (wenn ueberhaupt). Und es gibt ab und zu Erlebnisse mit ihm, die ich nicht richtig einordnen kann und Situationen, in denen ich nicht weiss, was ich machen soll: Neulich kam er angelaufen, weinend, die Arme vor dem Gesicht verschraenkt. Auf Ansprechen, auch von Seiten der anderen Jungs reagierte er nicht. Ploetzlich hat er sich in den Sand geworfen und mit den Fuessen gestrampelt. Nach 2 Minuten stand er auf, kam zu uns und spielte mit, als ob nichts gewesen waere. Auch bei spaeterem Fragen kam nicht viel heraus. Vielleicht ist ihm in solchen Momenten selbst nicht so ganz klar, was los ist.

Eine Gruppe von 3 Lehrlingen und 2 Zehntklaesslern wurde ausgewaehlt, im Mai fuer 2 Wochen zu einer Jugendbegegnung nach Deutschland zu fliegen. Evi und ich haben angefangen, mit ihnen Deutsch zu lernen, was sich als schwieriger als gedacht herausstellt. Es ist ein bisschen wie mit den Kleinen, jeder quaekt „Miss,…“ und kann kaum eine Minute stillsein und den anderen zuhoeren. Manchmal reden einfach alle durcheinander und richtige Lernstimmung kommt nicht auf. So ist man die Haelfte der Zeit damit beschaeftigt, zu ermahnen. Das Problem ist auch, dass die meisten zu faul sind, ausserhalb unseres Kurses zu lernen. So ist es meistens lustig, wenn auch anstrengend, allerdings kommen wir mit dem Deutschlernen nicht allzu schnell voran.
Liebe Gruesse aus Amman,
eure Susanne

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